Samstag, Juli 29, 2006

Friedenstauben mit schmutzigem Gefieder

Sie marschieren wieder, die Friedenstauben aus dem antiimperialistischen Milieu. Gemeinsam mit islamistischen Gruppen trabten die Möchtegern-Proletarierdiktaturerrichter von "Spartakus Bund" und ähnlich gehäkelten Nichtdenkern durch Berlin und brüllten "Tod, Tod Israel" und "Kindermörder israel". Natürlich durften selbstgemalte Plakate, auf denen Juden als Kinderbluttrinker bezeichnet wurden und man die Atombombe für den Iran forderte, nicht fehlen. Und mitten drin zwischen Antiimperialisten und Mullah-Sympathisanten der verurteilte Holocaustleugner Gerd Walther, der sich sichtlich wohl fühlte. Dass diese Leute, wie überhaupt große Teile der immer wieder mal von den Toten der Geschichte auferstehenden Friedensbewegung, äußerst wählerisch mit ihren Solidaritätsbekundungen sind, sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Gegen den Völkermord in Ruanda ging keine Sau demonstrieren, die derzeit stattfindenden Massaker im Sudan lassen die Linke kalt und davon, dass sich mal ein wackerer Kämpfer gegen den "Imperialismus" mal öffentlich gegen die Weltherrschaftsansprüche durchgeknallter Islamofaschisten ausspricht, wird man wohl vergeblich warten.

Völlig verlogen sind auch die "empörten Reaktionen" diverser Teile der islamischen Community. Dass im Irak gerade Shiiten Sunniten morden und umgekehrt, schert sie keinen feuchten Dreck. Sobald aber Israel, sprich Juden, es wagen, militärisch zu agieren, wird gleich die ganz große Keule ausgepackt und Hitler ein großer Mann geheißen. Auch dass war aber vorhersehbar und man hat es ja schon oft genug erlebt. Besorgnis sollte aber die neue Heftigkeit, mit der Antisemiten ihren Gefühlen Ausdruck verleihen, erregen. In den USA hat heute ein Mann eine Jüdin erschossen und zwei weitere schwer verletzt, weil er "Israel hasst", und in Australien wäre Premierminister John Howard um ein Haar von wütenden "Linken" gelyncht worden, weil, er Verständnis für das israelische Vorgehen geäußert hatte.

Erschreckend ist, wie massiv sich offener Antisemitismus nun in Europa auch unter Menschen breit macht, denen ich das nicht zugetraut hätte. Auch viele Bekannte und Freunde regredieren in den Bewusstseinzustand ihrer Großeltern und lassen ihrem über die Jahre gut verborgenen Antisemitismus nun freien Lauf, angefeuert und ermuntert durch die schrecklichen Bilder aus dem Libanon.

Das führt zum nächsten Aspekt: Weshalb wird jedem militärischen Ereignis, in das Israel involviert ist, so viel mehr Raum in den Medien gegeben, als anderen, oft viel tödlicheren Konflikten? Der Publizist Henryk M. Broder hat dafür eine originelle, aber nicht ganz von der Hand zu weisende Theorie: "Wo sonst auf der Welt kann ein Kriegsreporter von der Front berichten und anschließend in einem gepflegten, klimatisierten Cafe einen Cocktail schlürfen? Das geht nur in Israel". Bequemlichkeit der Reporter alleine wird freilich kaum der Grund sein, obwohl dieser Faktor bei Journalisten nie unterschätzt werden darf. Glauben Sie mir ruhig, ich spreche da aus eigener Erfahrung. Aber woher kommt diese Besessenheit, mit der über jede eingeschlagene Fensterscheibe in Nahost berichtet wird, wirklich? Ich vermute, es liegt an der traurigen Tatsache, dass Israel von weiten Teilen der Weltöffentlichkeit noch immer nicht als ein Staat mit allen Rechten und Pflichten anerkannt wird. Oder ist man erstaunt darüber, dass Juden sich nicht mehr zum Ermordetwerden hinlegen und sich stattdessen wehren?