Montag, September 11, 2006

Fünf Jahre seit 9/11

Heute vor fünf Jahren lenkten islamistische Terroristen zwei Flugzeuge in die Türme des New Yorker World Trade Centers, töteten damit tausende Menschen und setzten eine Eskalationsspirale in Gang, die sich bis heute weiterdreht. Die US-Regierung unter George W. Bush reagierte massiv. In einem Fall tat sie das Richtige, nämlich die Taliban in Afghanistan von den Hebeln der Macht zu verjagen. Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten, dass dieses Gesindel, dass nicht nur Bin Laden und ähnlich gestrickten Gottesbombern Unterschlupf gewährte, sondern auch eine der inhumansten Theokratien des Planeten betrieb, entmachtet gehörte. Leider folgte dann der Irak-Krieg, den zu verteidigen sehr schwer fällt bzw unmöglich ist. Eine intelligente US-Führung hätte Saddam Hussein dazu überredet, in ein vergoldetes Exil zu gehen und einen stabilen Übergang von der Baath-Diktatur zu demokratischen Verhältnissen zu ermöglichen. Hussein ist zwar ein skrupelloser Massenmörder, dem ich durchaus ein Ende im Kerker wünsche, doch ist der Preis, der für seine militärische Absetzung vor allem von der irakischen Zivilbevölkerung gezahlt werden muss, unangemessen hoch. Dass durch diesen offensichtlich schlecht geplanten Krieg der Irak außerdem nicht nur zu einem Schlachthaus, sondern auch einer Brutstätte des Terrors geworden ist, wird kein Ruhmesblatt für die amerikanische Außenpolitik werden.

Der 11. September 2001 war für mich persönlich ein Schockerlebnis auf verschiedenen Ebenen. So wie wohl die große Mehrheit der Menschen, die live via TV miterleben mussten, wie Horrorvisionen Wirklichkeit wurden, war ich zutiefst verunsichert, aufgewühlt und traurig. Doch viel schlimmer waren die Reaktionen von einigen Menschen, die mir damals persönlich und politisch nahe standen. Die Rauschwaden schwebten noch über dem Trümmerfeld, in dem die Opfer des Anschlags verwesten, als die ersten "Linken" in meinem Bekanntenkreis Schadenfreude erkennen ließen. Es geschehe den "arroganten" USA ja eigentlich ganz Recht, für ihre "Untaten bestraft" zu werden, hieß es plötzlich. Und immer mehr Stimmen, vor allem aus links- und rechtsextremen Kreisen, erhoben sich, um das Unabstreitbare zu leugnen, dass es sich bei 9/11 nämlich um einen Angriff auf ein Symbol der westlichen Zivilisation handelte. Der seit Jahrzehnten eingeübte Reflex weiter Teile der Linken, dass jeder Barbar, der sich gegen die USA wendet, ein Freiheitskämpfer sei, begann zu greifen und schon bald fanden die im üppigen Paradies von Wohlstand und Meinungsfreiheit lebenden Amerikakritiker ihre neuen Helden: "Widerstandskämpfer" in Afghanistan und Irak. Dass es sich bei diesen Leuten, die dort vornehmlich ihre eigenen Landsleute schlachten, um Faschisten und religiöse Fanatiker handelt, wird entweder bestritten oder, schlimmer noch, achselzuckend zur Kenntnis genommen. Eine Bekannte meinte: "Diese Leute haben ein Recht darauf, ihre kulturellen Werte zu verteidigen". Ja hallo, geht´s noch? Hier wird für das "Recht" auf Scharia, Mädchensteinigung, Händeabhacken und ähnlich schöne Sachen gekämpft, nicht für sozialen Fortschritt, Frauenemanzipation und Kabelfernsehen. Kurz: Da sich so viele meiner ehemaligen "Freunde" mit diesem Abschaum gemein machen, will ich mit ihnen nichts mehr gemeinsam haben.

Wer sich so äußert, wird natürlich sofort als Bush-Sympathisant und, wie es der Internettroll "Manfred Maier" in den Foren des "standard" so gerne ausdrückt, "Imperiumsfreund" gebrandmarkt. Dass man gegen die Taliban, gegen religiös motivierten Massenmord mittels Terroranschlägen und gegen Baathismus sein kann, gleichzeitig aber Guantanamo und vor allem die berüchtigten Geheimgefängnisse der CIA ablehnt, geht solchen Leuten nicht in den Schädel.

Ein besonderes Armutszeugnis einer verwirrten Gesellschaft sind die tausenden Verschwörungstheorien, die seit 9/11 kursieren und leider immer mehr Anhänger finden. Kritisches Hinterfragen soll natürlich stattfinden, aber wer auch nur bis drei zählen kann sollte sich ausrechnen können, dass ein Anschlag von der Größe von 9/11 einfach die Vertuschungsfähigkeiten jeder Regierung dieses Planeten übersteigen würde. Und: Wenn die bösen Hintermänner, die die Verschwörer im Dunstkreis von Bush (oder auch der Juden, der Illuminaten oder der holländischen Briefmarkensammler) vermuten, ach so mächtig sind, dass sie problemlos tausende Amerikaner umbringen können, warum gelingt es ihnen dann nicht einmal, den angeblichen "Aufdeckern" der "Verschwörung" den Mund zu stopfen? Na? Ge-nau, weil es keine Verschwörung seitens der USA gab. Verschworen hat sich eine Gruppe von Fanatikern, die der westlichen Lebensart und überhaupt allen nichtislamischen Kulturen den Privatkrieg erklärt hat.

Eines noch am Schluss: Es zeugt nicht gerade von einer überschäumenden Sensibilität des ORF (Österreichischer Rundfunk), ausgerechnet den fünften Jahrestag dieses Jahrhundertverbrechens zum Anlass zu nehmen, Michael Moores "Fahrenheit 9/11" auszustrahlen. Moore ist ein begnadeter Polemiker, der gut unterhält und mit seinen fetten Fingern oft zurecht in offenen Wunden der amerikanischen Gesellschaft wühlt. Ein "Aufdeckungsjournalist" ist der Mann nicht, und "Fahrenheit 9/11" ist leider nur billige Anti-Bush-Stimmungsmache, die dem Ernst des Themas nicht angemessen ist.