Montag, November 06, 2006

Ein kleiner Putsch in Wien

Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) gab am Sonntag eine Pressekonferenz. Deren Inhalt: Er wolle als provisorischer Kanzler im Amt bleiben, bis die Untersuchungsausschüsse im Parlament zu den Eurofightern und den Bankenskandalen abgehandelt seien. Dies könne "durchaus bis Weihnachten oder noch ein zwei Wochen ins neue Jahr hinein" dauern, so der Mann, dessen Partei bei den Wahlen am 1. Oktober 8,1 Prozent verlor und mit dem bisherigen Koalitionspartner, dem politischen Haider-Sondermüll BZÖ, keine Mehrheit mehr zustande bringt. Soviel kaltschnäuzige Demokratieverhöhnung hätte ich selbst diesem Mann, dessen Partei in ihrem Parlamentsklub ein Foto des Austrofaschisten und Arbeitermörders Dollfuß hängen hat, nicht zugetraut.

Es hilft zwar vermutlich nichts, aber ich mache es dennoch: Ich ersuche Herrn Bundespräsident Heinz Fischer, diesem gespenstischen Unfug ein Ende zu bereiten und entweder SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer mit der Bildung einer Minderheitsregierung zu beauftragen, oder aber ein Expertenkabinett einzusetzen, das das Land verwaltet, bis die Untersuchungsausschüsse vorbei sind. Es darf nicht hingenommen werden, dass Schüssel einfach ein Wahlergebnis ignoriert und sich durch das Verhindern einer neuen Regierung an der Macht hält. Das riecht nämlich verdammt nach einem kleinen Novemberputsch.

Der Verdacht erhärtet sich, dass die ÖVP und ihr stets devoter Partner BZÖ durch die Untersuchungsausschüsse die Aufdeckung grober Unregelmäßigkeiten befürchten. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung, doch wenn vor kurzem bekannt wurde, dass die Werbeagentur von Haider-Intimus Gernot Rumpold von Mittelmännern des Eurofightergeschäfts mehr als sechs Millionen Euro zugeschanzt bekommen hat, die geldwerte Leistung dieser Agentur aber zumindest fragwürdig erscheint, dann ist zu erahnen, was da noch alles im Dickicht von Vertragsanbahnungen, Provisionen und möglicher illegaler Parteieinfinanzierung zu finden sein könnte. Man hat das Geefühl, in einem schlechten Film zu seitzen, in dem die Bösen noch so lange am Ruder bleiben wollen, bis zumindest die allerärgsten Dokumente durch den Reißwolf gejagt werden konnten.