Mittwoch, Oktober 04, 2006

A kennan se Kaantn?

Kärnten, missverstanden und verachtet

Laut der Eurobarometer-Umfrage vom Frühjahr wussten 71 Prozent der Österreicher, dass ihr Land heuer im ersten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz innehatte. In Kärnten waren es lediglich 29 Prozent. Um das zu verstehen muss man wissen, dass für den durchschnittlichen Kärntner schon Wien ein exotischer, weit entfernter Ort ist, wo entrückte Politiker die carinthische Seele nicht verstehen und entmenschte Richter Verfassung und Staatsvertrag eine höhere Bedeutung zumessen als dem Gefühlsleben der seit Jahrhunderten von einer aggressiven Slowenisierungspolitik bedrängten Kärntner Mehrheitsbevölkerung. Wer dermaßen unter dem Druck von slawischen Expansionsbestrebungen leidet, muss alle Kräfte auf den Abwehrkampf konzentrieren und kann es sich nicht leisten, auch noch die ohnehin verwirrende europäische Politik zu verfolgen.

Wir Kärntner fühlen uns missverstanden und verachtet. Warum will niemand einsehen, von welch existentieller Wichtigkeit der Kampf gegen zweisprachige Ortstafeln für uns ist? Zum Glück sind wir ein zwar verfolgtes, aber schlaues Volk, das sich immer wieder vorausschauende Politiker wählt, die, um nur eine besonders heroische Tat zu erwähnen, zum Beispiel erfolgreich verhindert haben, dass die titokommunistische Tarnorganisation Gorenje ein Werk in Kärnten eröffnen konnte. Jetzt müssen die dummen Niederösterreicher für die Partisanen abeiten, wir Kärntner blieben frei von zusätzlichen Arbeitsplätzen und ungeteilt in unserem Stolz, wirtschaftliches Schlusslicht Österreichs zu sein. Aber werden wir für unsere Konsequenz geachtet und gelobt? Nein, man macht sich über uns lustig! In den Wiener Redaktionsstuben wird nach wie vor gelogen und das Märchen verbreitet, wir Kärntner seien intolerant, obwohl wir sogar einen Oberösterreicher zu unserem obersten Chef gewählt haben, was wohl Beweis genug sein dürfte, dass wir weltoffen, ja polyglott sind, denn seit Jörg Haider bei uns das Sagen hat, haben viele Kärntnerinnen und Kärntner ihren Dialekt an jenen von Oberdonau angepasst.

Überhaupt, die Sprache! Wieso halten es Wiener und andere balkanisierte Elemente für so schlimm, wenn wir darauf bestehen, dass in slowenischsprachigen Gebieten gefälligst Deutsch gesprochen werden muss und keine zweisprachige Ortstafel den falschen Eindruck erweckt, Kärnten sei nicht der deutscheste aller Gaue? Immerhin haben wir die beachtliche Kulturleistung vollbracht, innerhalb von nicht einmal 100 Jahren das schreckliche slawische Idiom abzulegen und eine Sprachvariante zu entwickeln, die, entsprechenden guten Willen vorausgesetzt, durchaus als Deutsch durchgehen kann. Dass wir diejenigen von uns, die nicht darauf verzichten mögen, immer noch öffentlich slowenisch zu sprechen, nicht sonderlich schätzen, sollte nachvollziebar sein, erinnern uns diese unsensiblen Leute doch ständig daran, dass wir nicht die Wurzeln haben, die wir gerne hätten. Die hiesige Sprachverwirrung hat übrigens auch dazu geführt, dass einige kärntner Frauen und Männer ein außergewöhnliches Gespür für das geschriebene Wort entwickelt haben und zu den bedeutendsten Schriftstellern des deutschen Sprachraums aufgestiegen sind. Zum Glück konnten wir die meisten dieser obergescheiten Störenfriede erfolgreich vertreiben. Wir haben es nun einmal nicht so mit dem Reden und dem Schreiben, wir singen lieber. Je trauriger die Lieder, desto weiter öffnet sich unser Herz. Schließlich gehört eine starke Affinität zur Schwermut zu den typischen deutschen Nationalcharakteristika. Dass man in Slowenien ganz ähnlich singt, zeugt nur von der kulturellen Raubgier der Jugoslawen.

Nun befürchte ich, dass all diese Erklärungen nichts nützen und man das Kärnter Wesen immer noch nicht versteht. Dabei haben wir so viel durchgemacht! Kaum war der Erste Weltkrieg vorbei, mussten wir einen Abwehrkampf führen. Millionen tapferer Deutschkärntner zwangen die SHS-Invasoren in offener Feldschlacht in die Knie, bis diese schließlich um Gnade und Volksabstimmung bettelten. So war das, ganz ehrlich. Ganz am Rande mögen der Oberste Rat der Alliierten und ein gewisser Woodrow Wilson auch eine kleine Rolle gespielt haben, geschenkt, aber entscheidend waren kärntner Mannesmut und Frauentreu, die die Heimat sich erstritten aufs neu, wie es in unserer Landeshymne so schön heißt. Bei der Volksabstimmung, die über den Verbleib von Südkärnten bei der Republik Deutsch Österreich entschied, stimmten sehr viele slowenischsprachige Leute in unserem Sinne ab. Wir hatten ihnen schließlich zuvor versprochen, ihre "sprachliche und nationale Eigenheit jetzt und für alle Zeit zu wahren". Das war gelogen, zugegeben, aber eine gewisse Verschlagenheit und eine lockere Einstellung zu Verträgen und Gesetzen gehört nun einmal zu den Eigenschaften, die uns überall so beliebt machen. Als dann Kärnten mit dem Rest von Österreich endlich heim ins Reich geholt wurde, fielen uns viele Slowenen brutal in den Rücken und bildeten Verbrecherbanden, die uns beim Arisieren und Deportieren empfindlich störten. Während wir nur unsere Pflicht taten, indem wir jüdischen Besitz und slowenische Bauernhöfe in fleißige deutschkärntner Hände gaben, überfielen die Partisanenbanditen hinterrücks die Nachschubwege der tapferen Wehrmacht. Und als dann das große Völkerringen leider doch zu unseren Ungunsten ausging, begingen diese Unmenschen die schrecklichsten Verbrechen. Einige NSDAP-Funktionäre, die niemals einer arischen Fliege was zuleide getan hatten, wurden entführt und schändlich ermordet! Diesen Genozid werden wir niemals vergessen! Daher erinnert auch im Zentrum von Klagenfurt ein Gedenkstein an die "unschuldigen Kinder, Frauen und Männer, die dem Terror der Partisanen zum Opfer fielen". Aber da wir Kärntner nicht einseitig sind, haben wir ein paar Jahrzehnte später am Stadtrand eine Tafel aufgestellt, die der bedauerlichen Kollateralschäden des Dritten Reiches gedenkt.

Sie sehen also, dass wir Kärntner ein missverstandenes Volk sind. Herzensgut und, wie uns kürzlich sogar eine Wiener Journalistin mit ausländisch klingendem Doppelnamen bestätigt hat, fesch sind wir, und stets zu Späßen wie dem Verrücken von Ortstafeln aufgelegt. Wir sind charmante, fesche Lausbuben und haben den feschesten aller Landeshauptmänner. Kommen sie also zu uns, urlauben sie bei Freunden. Bitte bitte, kommen sie! Wir haben neben dem Fremdenverkehr doch kaum Einnahmequellen, weil wir unsere Energie schon seit jeher und immer wieder für den ewigen Abwehrkampf gegen uns selber brauchen.